Kranenburg

Windkraftausbau Kranenburg

2012 begannen die Planungen der Gemeinde Kranenburg, des Landesbetriebs Wald & Holz NRW sowie des in Wiesbaden ansässigen Unternehmens ABO Wind für den Bau eines „Windparks“ entlang des grenznahen Kartenspielerwegs. 12, jeweils 200 Meter hohe Anlagen des Typs Vestas V-126 wollten die Geschäftspartner hier errichten. 200 Hektar war der dafür vorgesehene sogenannte Windenergiebereich groß. 2016 wurde der entsprechende Bauantrag gestellt.

Konflikte nicht nur mit dem Arten- und Naturschutz

Nach Bekanntwerden des Vorhabens regte sich auf beiden Seiten der Grenze massiver Widerstand unter anderem von Bürgern, Naturschutzorganisationen und Politikern (letztere nur außerhalb Kranenburgs). Denn im und am Reichswald ist das Konfliktpotential unter anderem mit dem Natur- und Artenschutz groß. Gegen den Windkraftausbau entlang des Kartenspielerwegs sprach und spricht die Schutzwürdigkeit des Gebietes. Konflikte ergeben sich unter anderem aus Folgendem:  

  • Schädigung eines Waldgebietes und Ökosystems, das für den Arten- und Biotopschutz sowie als Lebensraum für die hiesige Flora und Fauna bedeutsam ist
     
  • Signifikantes Tötungsrisiko für verschiedene Greifvogel- und Fledermausarten
    (das Plangebiet ist Teil eines europäischen Greifvogel-Dichtezentrums!)
     
  • Störung nahegelegener Natura 2000 Gebiete
     
  • Risiko der Verunreinigung im Reichswald gewonnenen Trinkwassers durch austretende Schmiermittel in der Bau- und während der Betriebsphase der Anlagen einschließlich erforderlicher Wartungsarbeiten 
     
  • Dauerhafter Verlust wertvoller Bodenfunktionen auch als Kohlenstoffspeicher durch massive Verdichtung des Waldbodens (ca. Fußballfeldgröße je Anlage plus Zuwegungen)
     
  • Verlust historischen Zeugniswertes, da sich im Plangebiet unter anderem urgeschichtliche Besiedlungs- und Nutzungsareale sowie großflächige Grabhügelfelder befinden
     
  • Beeinträchtigung einer bis heute weitgehend unzerschnitten gebliebenen hochwertigen Kulturlandschaft
     
  • Erhebliche Minderung der Erholungsfunktion des Reichswalds im waldarmen Kreis Kleve
     

Schallimmissionsprognose sprach Bände

Wie weit in den Wald hinein die Beeinträchtigung durch Geräuschimmissionen der geplanten Windkraftanlagen gewesen wäre, zeigt die untenstehende Schallimissionsprognose. Sie wurde im Auftrag des Projektentwicklers erstellt. Gezeigt wird die Belastung unter günstigen Bedingungen in den Nachtstunden. Tagsüber gelten höhere Grenzwerte. Dann ist die Lärmbelastung deutlich größer. 

Bildnachweis IEL/ ABO Wind

Zum Vergleich:
35 dB(A) entsprechen dem Lärmpegel des Tickens eines Weckers und 45 dB(A) leiser Musik


Erster Bauantrag abgelehnt

2017 hat der Kreis Kleve als Genehmigungsbehörde den Bauantrag unter anderem aus Gründen des Landschafts-, Arten- und FFH-Gebietsschutzes abgelehnt. Nicht zuletzt auch wegen der Bedeutung des Reichswalds für den Klimaschutz. Diese ergibt sich beispielsweise durch seine Funktion als Kaltluftproduzent sowie Kohlenstoffsenke. 


Projekt „Windpark Kranenburg“ für ein paar Jahre vom Tisch

Erwartungsgemäß reichte ABO Wind gegen den Ablehnungsbescheid der Kreisverwaltung Klage vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf ein. Einige Wochen später zog der Projektentwickler sie jedoch zurück. Zu diesem Zeitpunkt war bereits absehbar, dass auch der neue Regionalplan das Plangebiet nicht als Bereich für den Windkraftausbau darstellen würde. Das Unternehmen machte allerdings schon damals deutlich, das Vorhaben gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgreifen zu wollen. Nämlich dann, wenn sich die „Rahmenbedingungen grundlegend geändert hätten“ (s. RP-Artikel vom 06.09.2017). Entsprechend beunruhigend sind die jüngsten Entwicklungen in Sachen Energiepolitik sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene.
 

Massiver Windkraftausbau in NRWs Wäldern geplant

Im Dezember 2021 wurde bekannt, dass die Landesregierung nicht nur plant, Wälder wieder vermehrt als Standorte für Windkraftanlagen zuzulassen. Der Ausbau im Wald soll bei der geplanten Verdopplung der Windkraft vielmehr auch noch ein zentrales Standbein sein. So könnten in den kommenden Jahren weit mehr als 1.000 Windkraftanlagen in NRWs Wäldern errichtet werden. Dafür infrage kommen sollen laut NRW-Umweltministerium beispielsweise durch Trockenheit und Borkenkäfer „schwer geschädigte Waldflächen“ (u.a. die NRZ berichtete am 14.12.2021). Sowohl das Umwelt- als auch das nordrheinwestfälische Wirtschaftsministerium geben vor, es ginge lediglich um eine vorübergehende Nutzung des Waldes.

 

Dauerhafter Verlust wichtiger Bodenfunktionen

Allerdings werden für den Bau und Betrieb jeder Windkraftanlage große Mengen Waldboden ausgetauscht und/ oder stark verdichtet und versiegelt. Nur so kann die erforderliche Tragfähigkeit erreicht werden. So gehen wichtige Bodenfunktionen unwiederbringlich verloren. Ein gesunder Baumbestand wird sich hier nie mehr entwickeln können. Das gilt auch für die breiten Zuwegungen, die in den Wald gebaut werden. Sowohl sie als auch die Turmumfahrungen und Kranstellflächen müssen während der gesamten Betriebsdauer der Anlagen ohnehin beispielsweise für Wartungsarbeiten dauerhaft freigehalten werden.

 

Natur- und Artenschutz zukünftig ein „nachrangiges Schutzgut“?

Am 11. Januar 2022 hat Wirtschaftsminister Habeck seine Pläne bezüglich des Ausbaus der Erneuerbaren Energien öffentlich vorgestellt. Zwei Prozent der Landesfläche sollen gesetzlich verpflichtend für den Windkraftausbau ausgewiesen werden. Deshalb sieht Habeck vor, dass die Behörden in Genehmigungsverfahren bei der Abwägung unter anderem natur- und artenschutzrechtliche Kriterien nachrangig beurteilen. Genauso wie andere relevante Schutzgüter. Entsprechend befürwortet auch das Bundesministerium die Inanspruchnahme des Waldes für den Windkraftausbau.

 

Bald Wiederaufnahme des Planungsverfahrens für den  „Windpark Kranenburg“?

Vielleicht etwas früher als erwartet, aber insgesamt wenig überraschend hat die Kranenburger CDU Ende März 2022 die Wiederaufnahme des Planungsverfahrens für den Bau und Betrieb von Windkraftanlagen entlang des Kartenspielerwegs beantragt. In einem ersten Schritt soll dazu über eine Änderung des Flächennutzungsplans eine Konzentrationszone für die Windkraftindustrie ausgewiesen werden. Die Bürgerinitiative hat den Mitgliedern des Ausschusses ein Schreiben gesendet, das sich mit den angeführten Argumenten und Alternativen zum Windkraftausbau im Reichswald auseinandersetzt. Sie können es hier herunterladen: Schreiben an die Mitglieder des PUA vom Mai 2022

 

Alle Hände an Deck

Wie von ABO Wind, anderen Projektierern sowie von den Pachteinnahmen profitierenden Flächeneigentümern gewünscht, scheinen sich also tatsächlich bald die „Rahmenbedingungen grundlegend zu ändern.“ Dem Reichswald stehen damit unruhige Zeiten bevor. Zumal schon die beiden an der Engelsstraße direkt am Waldrand beantragten Windkraftanalgen eine Bedrohung darstellen. Umso wichtiger ist es, dass sich so viele Menschen wie möglich für seinen Erhalt einsetzen. Behalten auch Sie die Entwicklungen genau im Auge. Leihen Sie dem Reichswald Ihre Stimme und bringen sich aktiv ein. Die Bürgerinitiative freut sich über jede neue Mitstreiterin und jeden neuen Mitstreiter. Sie möchten sich nicht der Bürgerinitiative anschließen, aber dennoch etwas unternehmen? Dann finden Sie hier einige Vorschläge. Der Reichswald wird Ihnen Ihren Einsatz danken!  

 

Jungenwald, Ottweiler (Saarland) im Februar 2021 - sechs Jahre nach dem Bau der Anlage